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Ich dachte also bin ich

Ich habe mir noch vor der Zeugung meiner selbst gedacht
Dieses Existieren, ob das wohl Freude macht?

Sein das mag nicht schlecht sein doch zu welchem Zweck?
Das Nichtsein hingegen ist ein herrliches Versteck

Alles ist noch möglich wie abenteuerlich
Und keine Seele weiss von mir ja noch nicht mal ich

Wer nicht ist der muss auch nicht vergehen – noch ein Glück
Doch fängt man einmal an zu sein dann führt kein Weg zurück

Selbst wenn man sich glücklich schätzt und denkt das Sein entspricht einem
Wenn man einmal ist dann kann man nicht mehr nicht sein

Hingegen wenn man noch nicht ist entfallen die Beschwerden
Denn was nicht ist das weiss jeder das kann ja noch werden

Doch von dem Sein so kurz es dauert kann man nicht genesen
Selbst wenn man einmal nicht mehr ist, so bleibt man stets gewesen

Und wie ich so am Denken bin beschleicht mich plötzlich ein Verdacht
Als hätte ich beim Denken irgendetwas nicht bedacht

Wenn ich noch nicht gezeugt bin und noch nicht existier
Dann muss ich mich doch fragen wer denkt eigentlich hier

Ich schau mich um in jede Richtung – keiner hier
Auf weiter Flur kein Mensch zu sehen keiner ausser mir

Wie bitte ist das möglich dass das Denken meine Stirn höhlt
Wenn mir nicht nur die Stirn dazu sondern auch das Hirn fehlt

Vielleicht bin ich ja doch noch nicht dann wär es wieder stimmig
Doch René Descartes hat gesagt ich denke also bin ich

Und Descartes hatte sicher Recht das wär sonst aufgeflogen
Oder könnt’s am Ende doch noch sein hat Descartes gelogen?

Nein ich denke diese Diskussion kann man sich schenken
Denn wenn ich nicht sein soll bitte schön wer wär denn hier am Denken

Nein meine Sorgen die sind nun von ganz andrer Art
Ich mach mir keinen Kopf über meine Gegenwart

Jetzt bin ich ja noch allein und frei auf dieser Erde
Doch was passiert mit mir wenn ich einmal gezeugt werde?

Bin ich dann ein andrer oder bin ich dann zu zweit?
Und bin ich zu einer derart engen Freundschaft auch bereit?

Werden die zwei ich’s damit auf einen Schlag zum wir?
Oder gibt es keinen Unterschied zwischen mir und mir?

Bin ich und ich in einer Brust zur Zweisamkeit verdammt?
Und wie erklär ich das dann dem Einwohnermeldeamt?

Vielleicht muss ich verschwinden bevor ich werden kann
Das wäre eine Lösung doch wo fang ich an?

Vielleicht mit einem Küchenmesser oder mit dem Strick?
Wenig Aussicht auf Erfolg ohne Adern und Genick

Und wenn’s irgendwie mit Beil trotz allem klappte wär ich Tropf
um einen Kopf gekürzt dann minus einen Kopf

Auch nicht wirklich einfach wenn man für die Ruhestatt
Einen Kopf verlieren muss welchen man noch gar nicht hat

Versuchen wir’s mit Logik: wenn ich durch’s Denken bin
Macht dann Nichtdenken wenn man nicht mehr sein will Sinn?

Es wäre wohl der erste Umkehrschluss der funktioniert
Und trotz der Aussichtslosigkeit hab ich es probiert

Doch immer wenn ich dachte es hätt mich hingestreckt
Hat mich der Umstand dass ich dachte wieder auferweckt

Es ist zum Verzweifeln ein Ende nicht in Sicht
Ich würd gern damit leben können doch ich leb ja nicht

Sein oder Nichtsein ist nur Entscheidungsnot
Was hätte Hamlet wohl gesagt wenn Sein und Nichtsein droht

Ich komm mir vor wie an Silvester Sektglas schon geleert
Da merk ich es ist erst halb sechs die Wanduhr hängt verkehrt

Was ich bin das kann nicht sein und trotzdem bin ich wahr
So bleibe ich als Widerspruch wohl stets unauflösbar

Es hilft nicht immer weiter wenn man sich Gedanken macht
Ich denk mir oft was hab ich mir beim Denken bloss gedacht

 

Text: Nils Althaus
© by Nils Althaus

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